Sie sind rund, prall, oft nackt und kahl, die Figuren auf den Bildern und Drucken von Philine Fahl, doch die Reduzierung des Äußeren betont nur den Reichtum des Inneren, denn sie sind sich selbst genug, sind in sich versunken und eins mit dem, was sie tun (oder eben auch nicht tun).
Philine Fahl zeigt in der Ausstellung „Vom Paradies und anderen Welten“ Bilder und Skulpturen, die zum Schmunzel, Denken und Genießen anregen.

Studiert hat Philine Fahl in Kiel an der Muthesius Kunsthochschule Malerei bei Peter Nagel (1988-93) , ging danach nach Köln und eroberte von dort aus die Kunstszene der Republik. Als erste Preisträgerin wurde sie 2009 mit dem „Kunstpreis Europäisches Frauenforum“ ausgezeichnet.
Wir freuen uns auf eine tiefgründig und heitere Ausstellung und laden herzlich ein zur Vernissage am 16. September um 17.30 Uhr. Die Künstlerin selbst in anwesend und freut sich darauf, Sie bei einem Glas Selter, O-Saft oder Wein kennen zu lernen.

Rede zur Ausstellungseröffnung Philine Fahl: Vom Paradies und anderen Welten

Galerie Göldner, 16.09.2017

Philine Fahl, geboren in Hannover, studierte Malerei , bzw. Freie Kunst in Kiel (an der Muthesius bei Peter Nagel) und lebt derzeit in Köln. Sie hatte zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen in der Republik und wir freuen uns, dass sie nun heute bei uns ist.

Sie kommt aus einem kreativen Elternhaus, denn die Mutter war Architektin und der Vater ursprünglich auch, bis er Professor für Malerei an der Muthesius wurde.
Auch der Bruder Menno ist Künstler, so dass man davon ausgehen kann, dass die Kunst die Muttersprache der Familie geworden ist.

Es sind Frauen-Figuren, die zu Philine Fahls Markenzeichen geworden sind. Drall, oft nackt, eierköpfig, mit nur vier Fingern (und ebensowenig Zehen), haarlos.
Sie erinnern an Comics in ihrer Skizzenhaftigheit, aber wer das mit Einfachheit und Seichtigkeit gleichsetzt, tappt in eine Gedankenfalle, stolpert über das eigene Vorurteil.

“Vom Paradies und anderen Welten” lautet der Titel dieser Ausstellung und wir werden in ihr tatsächlich auf einen Spaziergang durch verschiedene Welten mitgenommen.

Philine Fahl läßt sich thematisch von verschiedenen literarischen Meilensteinen der Literatur inspirieren. Einmal von der Bibel, aber auch von den Gestalten der griechischen Mythologie oder dem indischen Lehrwerk über die Erotik, dem Kamasutra.

Beginnen wir mit dem spannendsten dieser Werke- der Bibel.

Das Bild “Verführung” zeigt die Vorstufe zum Sündenfall, die am Ende zur Vertreibung aus dem Paradies geführt hat.

Wir alle kennen die Geschichte von dem Sündenfall, der durch den Verzehr der verbotenen Frucht vom Baums der Erkenntnis durch das erste Menschenpaar Adam und Eva beschrieben wird.
In der Interpretation von Philine Fahl sieht man ein Paar liegend auf dem Boden, das die Schlange als Verführerin zwar ansieht, aber alles in Allem wenig Interesse zeigt, an der Frucht der Erkenntnis zu naschen. Da hilft es auch nichts, dass die Schlange den Apfel schon gleich mitbringt und vor sich her trägt.
Auf anderen Bildern redet die Schlange auf die schlafende Frau ein. Sie läßt aber durch nichts erkennen, dass die Worte der Verführung sie überhaupt erreichen. In sich ruhend und tief schlafend scheinen sie einfach abzuprallen.

Wieder aufgenommen wird das Thema Verführung in der Skulptur, die auch das Motiv der Eínladungskarte darstellt. Die Schlange spricht mit der Frau und hält sie dabei eng umschlungen. Nichts bedrohliches geht davon aus- es wirkt eher wie ein Plausch unter Freundinnen.

Verführung ist im Grunde genommen nichts anderes als ein Netz aus Manipulation, in das sich das Gegenüber verheddern soll. Ziel ist, dass die Verführte etwas tun soll, was sie im Grunde genommen gar nicht will.
Und wenn ich mir diese Bilder, diese Skulptur ansehe, dann denke ich, dass die Verführung im Sinne des Sündesfalls nicht funktioniert hat.
Eine redet konzentriert, die andere hört gespannt zu und alles in allem sieht das sehr gemütlich aus.
Der Sündenfall ist also ausgefallen…(und es findet sich in dieser Ausstellung auch kein weiteres Werk, das hier biblisch weiter erzählt).

Wenn der Sündenfall ausgefallen ist, dann ist das eine gute Nachricht, denn die sogenannte Erbsünde ist damit auch ausgefallen und wir leben immer noch im Paradies.
Wir sind frei, so wie die Figuren von Philine Fahl, das zu tun, was wir wollen und wie wir das wollen.

Frei ist Philine Fahl bei diesem Bild auch von der Begrenztheit der Druckwalze. Wenn der Entwurf größer ist als die Walze des Linoldrucks es hergibt , dann nimmt sie eben mehrere Blätter, bedruckt sie mit einzelnen Segmenten des Motives und baut sie anschließend zusammen. Die dadurch entstehenden Ungleichheiten in Farbauftrag oder Linien sind nicht kaschiert, sondern in ihrer Unperfektheit gewollt. Das ist dann eben so. Wie das Leben selbst, authentisch, verrutscht, andersfarbig wie der Unterschied zwischen Montag und Donnerstag, und doch gibt es am Ende ein ganzes Bild.

Bindeglied zwischen der christlichen Religion und der Fabelwelt ist das Einhorn, das dieser Tage übrigens eine wundersame Renaissance erlebt (es gibt sogar eine Zeitschrift).

Es heißt in der Überlieferung, dass nur eine unschuldige Jungfrau ein Einhorn fangen kann. Und prompt dreht Philine Fahl das Motiv um, zeigt erst ein “Einhorn und eine Unschuld” und erzählt die Geschichte weiter als “Einhorn ohne Unschuld”…wobei immer noch beide Wesen anwesend sind. Im zweiten Bild ist es aber Nacht und der Ort ist ein anderer. Es liegt Entspannung in der Luft und ein weiteres zentrales Motiv von Philine Fahl, die Erotik im Bild, ist erkennbar.

Amor, Centauer, Harpyie und Medusa führen uns anschließend in die griechische Mythologie. Hier beeindruckt vor allem die Medusa dadurch, dass sie einfach nur wartet. Ihr Schlangenhaar schläft dabei, denen scheint etwas langweilig geworden zu sein.
Damit blitzt der Humor durch, der den Figuren auch innewohnt. Medusa wird in der Kunst gerne als zornig oder am Ende als enthauptet und tot dargestellt, doch dass sie wartet mit artig in dem Schoß platzierten Händen, das ist neu. Auch dass eine Medusa Angst hat (ein anderes Bild) ist neu, denn die Angst müssen laut Überlieferung wir und alle anderen haben. Immerhin droht Versteinerung bei ihrem Anblick.

In der Kamasutra-Reihe bricht sich der Humor dann ganz Bahn. Anstelle von erotischen Positionen sind hier eher Schlafpositionen zu bewundern. Anatomisch und in ihrer Gemütlichkeit weit hergeholt, aber das stört die Schlafenden nicht.

Von den Kamasutra-Bildern ist es nicht weit zu den PinUps. Frauen in erotischen Positionen, mit den nötigen Accessoires wie elegante Unterwäsche und Netzstrumpfhose, aber hier eben auch in Philine Fahls Interpretation.
Allen Figuren ist gemeinsam, dass sie von üppiger Figürlichkeit sind, ähnlich wie Fruchtbarkeitsgöttinnen anderer Zeiten und Welten und jenseits heutiger sogenannter Schönheitsideale.
Diese PinUps haben große Brüste , einen dicken Po, stämmige Beine in der Netzstrumpfhose und üppige Arme.
Sie geizen nicht mit sich in der Pose und alles an ihnen drückt aus, dass sie es genießen. Und zwar für sich selbst, nicht für den Betrachter. Betrachterinnen genießen diese Darstellung, denn es eröffnet eine Komplizenschaft oder zumindestens eine Sehnsucht danach im Authentisch sein.
Ausgedrückt wird hier eine innere Haltung, die keine äußere Bestätigung braucht. Geschlossene Augen unterstreichen das, denn sie wirken in ihrer Skizzenhaftigkeit wie Pfeile, die nach innen zeigen.
Am deutlichsten wird das für mich in dem Bild “Die strahlende Frau”. Die Figur steht zentral im Bild, auf nur einem Fuß, aber dennoch stabil. Sie wirkt wie in einem wiegenden Tanz zu einer Melodie, die nur sie hört. Ihre Augen sind geschlossen, die Hände halten links und rechts den Kleidersaum etwas hoch für maximale Beinfreiheit. Das Kleid selber ist in einem Strahlenmuster gemalt, das sternenförmig nach außen zeigt. Aufgegriffen wird das Muster von der unmittelbaren Umgebung. Mal führen die äußeren Strahlen die inneren Strahlen fort, mal nicht. Das ändert gar nichts an der Dynamik, denn die zentrale, innere Kraft wirkt trotzdem im unerschütterlich und ausbalanciert.
Deshalb genügen den Figuren auch vier Finger oder Zehen, denn aus spiritueller Sicht steht die 4 für Vervielfältigung durch Fülle, für die Kraft des Gleichgewichtes und für Selbstbewusstsein. Als göttliche Ur-Idee bedeutet sie höchste Weisheit. Sie symbolisiert Körper und Geist und bringt Stärke, Licht, Reinheit und Perfektion.

Dadurch, dass Philine Fahl alte Geschichten neu erzählt, ruft sie uns darüber hinaus zu, dass es auch ganz anders gewesen sein könnte, dass wir uns nicht verrückt machen sollen durch Sündenfall, Versteinerungsgefahr oder andere Denkgefängnisse. Nehmen wir uns lieber ein Beispiel an diesen mit sich zufriedenen Figuren und feiern das Leben.

Diese Bilder machen einfach Spaß in ihrer skizzenhaften Üppigkeit, ihren wilden mystischen oder religiösen Zitathaftigkeit um Umkehrung und sie sind eben gar nicht einfach und seicht, wie die comichafte Darstellung das auf den ersten Blick anbietet.

Und nun wünsche ich Ihnen viel Vergnügen bei Ihren eigenen Entdeckungen.

Bordesholm, 16.9.2017, Maike Brzakala

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